Der junge polnische Zwangsarbeiter Kazimierz Bachleda-Zarski, geboren am 02. Oktober 1925 in Zakopane, wurde am 7. Oktober 1943 im Alter von 18 Jahren und 5 Tagen von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) auf dem Geländes des ehemaligen Schießplatzes in Stade hingerichtet. Es war die zweite Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters, bereits am 18. August 1943 wurde Johann Puk in Buxtehude-Altkloster erhängt, durch die Gestapo innerhalb kürzester Zeit im Landkreis Stade.
Die Hinrichtung fand vor hunderten polnischen Zwangsarbeitern, örtlichen NSDAP Funktionären und höheren Verwaltungsbeamten statt.
Heinrich Waller (Komitee ehemaliger politischer Gefangener, Kreis Stade) schrieb am 24.11.1947 in einem Brief: „Die Erhängung des Polen sollte nach Aussen hin als ein abschreckendes Mittel gelten und zur Einschüchterung der anderen ausländischen Arbeiter.“
Kazimierz Bachleda-Zarski war erst 14 ½ Jahre alt, als seine Zwangsarbeit als landwirtschaftlicher Arbeiter auf Bauernhöfen bei Stade begann. Auf der Kennkarte „Zivilarbeiter polnischen Volkstums“ wurde sein Vorname eingedeutscht („Kasimir“) und im Nachnamen „Bachleda“ geschwärzt. Kasimir Zarski sollte er von nun an nur noch heißen.
Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen unterlagen vielen Einschränkungen:
Es war bei Todesstrafe verboten, Geschlechtsverkehr mit einer Deutschen zu haben.
Es war verboten Fahrräder zu benutzen.
Es war verboten sich in öffentlichen Einrichtungen wie Kinos, Gaststätten, Kirchen aufzuhalten.
Es war verboten sich von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr außerhalb der Unterkunft aufzuhalten.
Es war verboten, Mahlzeiten mit Deutschen an einem gemeinsamen Tisch zu sich zu nehmen.
Es war verboten eigenständig den Arbeitsplatz zu wechseln.
Es mußte auf der äußeren Kleidung der rechten Brustseite das Abzeichen „P“ oder „Ost“ sichtbar getragen werden.
Schon bei geringfügigen Vergehen wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter von der Gestapo oder vom Landrat in Polizeihaft genommen und in das Landgerichtsgefängnis Stade verbracht.
In vorhandenen Unterlagen ist festgehalten, dass Kazimierz am 12.03.1942 erstmalig von der Gestapo Stade in Polizeihaft genommen und für drei Tage im Landgerichtsgefängnis Stade inhaftiert wurde. Er wurde im selbem Jahr am 14.10.1942 erneut in das Landgerichtsgefängnis verbracht, in Untersuchungshaft genommen und vom Amtsgericht Stade wahrscheinlich zu Gefängnisstrafe von 6 Monaten verurteilt. Die Gründe der Verurteilung sind unbekannt, die Gerichtsakten wurden vernichtet. Kazimierz verbüßte die Strafe im Gefängnis von Hannover und wurde nach seiner Entlassung ab dem 12.04.1943 als Zwangsarbeiter in Blumenthal, einem kleinem Dorf an der Oste, eingesetzt.
Im Spätsommer 1943 kam es zu mehreren willkürlichen Hinrichtungenn von polnischen Zwangsarbeitern durch die Gestapo Bremen im Elbe-Weser-Dreieck. Den Hinrichtungen mussten jeweils mehrere hundert polnische Zwangsarbeiter zuschauen.
Kazimierz wurde am 31.08.1943 von der Gestapo Stade in Polizeihaft genommen, in das Landgerichtsgefängnis Stade verbracht und am 08.09.1943 in das Polizeigefängnis Bremen überführt. Er wurde wahrscheinlich von der Gestapo ausgesucht, um an ihm ein Exempel zur Disziplinierung polnischer Zwangsarbeiter zu statuieren.
Die Gestapo Bremen erhängte Kazimierz am 07.10.1943 auf dem alten Schießplatz in Stade.
Sein Leichnam wurde anschließend in Bremen eingeäschert und die Urne auf dem Friedhof Riensberg verscharrt. Im Jahre 1956 wurde die Urne auf dem Ehrenhügel für NS-Opfer auf dem Osterholzer Friedhof in Bremen überführt. Dort sind auch viele andere Opfer der Gestapomorde begraben. Der Name Kasimir Zarski findet sich auf der Namensplatte des NS-Opferfeldes.
Im Jahr 1961 führte die Staatsanwaltschaft Stade eine Ermittlung durch, wer für die Hinrichtung von Kazimierz verantworlich wäre. Die beteiligten Stader Gestapoleute wälzten alle Verantwortung auf einen, im Krieg gefallenen, höheren Gestapobeamten aus Bremen ab.
Die Ermordung von Kazimierz wird erstmalig im Jahr 1991 in der Buchveröffentlichung „Der Landkreis Stade in der Zeit des Nationalsozialismus“ thematisiert und auch 1995 in der Broschüre „…zu niedriger Arbeit geboren…“ (Zwangsarbeit im Landkreis stade 1939 – 1945) benannt.
Der Name Kasimir Zarski findet sich seit 2005 auf einer Gedenkstele für 152 NS-Opfer vor der St. Wilhadikirche in Stade.
Im Jahr 2018 wurde von einer Schulklasse des Athenäums in Stade, Einzelpersonen und gesellschaftlichen Gruppen an die Ermordung von Kazimierz vor 75 Jahren erinnert.
Die Schulklasse beschäftigte sich mit seiner Geschichte, sammelte Geld für einen Stolperstein und organisierte zusammen mit Einzelperson eine Ökumenische Andacht in unmittelbarer Nähe des Hinrichtungsortes.
Die Ökumenische Andacht
(„… Meine Zuflucht bist du, mein Anteil im Land der Lebenden …“, Psalm 142)
zum Gedenken an Kasimir Zarski am 07. Oktober 2018 in Stade wurde von Superintendent Dr. Kück und Pfarrer i.R. Oskar Rauchfuß durchgeführt.
Es folgte am 09. Oktober 2018 eine gemeinsame Abendveranstaltung im Schwedenspeichermuseum in Stade von der Gerwerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der VVN-Bund der Antifaschisten und des Rosa Luxemburg Clubs Niederelbe zur Erinnerung an Kazimierz Zarski.
Beide Veranstaltungen wurden kurzfristig noch von der Stadt Stade unterstützt. Die regionalen Zeitungen berichteten umfangreich über das Gedenken an Kazimierz.
Der Rat der Stadt Stade beschloss am 17.12.2018, auf Antrag der Schulklasse vom Athenäum, einen Stolperstein für Kasimir Zarski verlegen zu lassen.
Die Verlegung des Stolpersteines durch den Künstler Gunter Demnig findet am Sonntag, den 28. Juni 2020 um 9:50 Uhr in der Sachsenstrasse 44 in Stade statt. Der Ort war früher Teil des alten Schießstandes auf dem Kazimierz hingerichtet wurde.
Die Inschrift des Stolpersteines lautet:
HIER ÖFFENTLICH GEHÄNGT
KAZIMIERZ BACHLEDA-ZARSKI
JG. 1925
POLEN
ZWANGSARBEIT 1940
SEIT 1942 MEHRMALS
INHAFTIERT
ERMORDET 7.10.1943
ALTER SCHIESSSTAND